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Unglaublich, was Christen glauben (V).
März 2004
Wenn im herkömmlichen Denken von "Glaube"
und "Religion" die Rede ist, sind in Wirklichkeit die Kirchen
und Konfessionen im Blickfeld. So schien es selbstverständlich:
wer einer offiziellen Religion angehört, ist "gläubig".
Konfessionslose sind es nicht. Was früher immer
selbstverständlich war, hat aufgehört, es zu sein. Nicht nur
"religiöses Denken", sondern auch Feste und Wertvorstellungen -
früher feste Bestandteile kirchlichen Lebens - sind dabei, sich
zu "emanzipieren". Sie wandern aus den Kirchen aus. Sie sind
"profan" geworden. Dazu gehören die Narren- und Karnevalszeit;
ebenso die 40 Tage danach, die früher einmal als "religiöse
Fastenzeit" begangen wurden. Dagegen stehen "profan" gewordene
Formen des Fastens. Sie haben verschiedene Namen: Gesundheits-
und Fitnessfasten; Entschlackungs- und Heilfasten;
Frühlingsfasten; Magerfasten (bis zur Magersucht).
Gehören sie zu den "ehrbaren Verhaltensweisen", die wirklich im
Leben und zum Leben weiterhelfen? Sind die Formen des "Egotrips", der
Selbsttäuschungen und der Lebenslügen? Stehen sie im Einklang mit dem
wirklichen Leben, so wie es ist? Was heißt eigentlich: "wirkliches
Leben"? ...
V. Menschen- und Weltdienst als "wahre Selbstverwirklichung".
1. Zauberworte "Gesundheits- und Heilfasten".
Der Trend ist eindeutig: die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern wird kaum noch
öffentlich wahrgenommen; die Fasten- und Abstinenztage gelten im Zeitalter
des Konsumierens höchstens noch als "private Haltepunkte"; der Buß- und
Bettag wurde sang- und klanglos dem Gott des Wirtschaftswachstums geopfert;
der Aschermittwoch macht auch vor christlichen Parteien nicht halt: er wird
zu bierseligem "politischen Aschermittwoch" mißbraucht, dessen Sinn in
volkstümliche Massenveranstaltungen beliebig umgewandelt...
Während dem Fasten das Etikett "christlich" schleichend abhanden kommt,
entstehen "profane" Formen des Fastens. Fasten - als Weg zum Ich, als bloße
Seelen- und Gesundheitshygiene; Fasten als Ritual ohne Glauben, als Kult
ohne Gott... Wie hoffnungslose "Rufer in der Wüste" erscheinen dagegen jene
Stimmen, die die transzendente religiöse Dimension des lebensnotwendigen
Fastens in Erinnerung rufen. Die deutschen Bischöfe empfehlen
ausdrücklich das leibliche Fasten als "unerläßlichen Bestandteil jeder
intensiven Besinnungszeit". Zugleich betonen sie Ziel und Sinn solchen
Fastens. Es diene der Vorbereitung auf das Osterfest, dem "zentralen Fest
der Christen".
In einer Gesellschaft, in der solches Bewußtsein schwindet, gelten
muslimische Minderheiten, die fest auf dem Fastenmonat Ramadan
bestehen, unversehens als "exotisch" und "beklemmend". Sie machen ratlos und
verwirren, zumal sie aus dem öffentlichen Leben nicht mehr herauszudenken
sind. Ebenso ist es mit den Stimmen, die religionsgeschichtlich immer
wieder auf den religiösen Background des Fastens hinweisen. In
urtümlichen Gesellschaften diene das Fasten dem Verzicht auf böse
bedrohliche Mächte, dem Absterben abartiger gewalttätiger Neigungen im
Menschen, der Abwehr von Lebens- und Weltkatastrophen, dem Fernhalten
unerwünschter negativer Einflüsse auf wichtige Ereignisse: auf Geburten,
Hochzeiten, Genesungsprozesse, Lebenswendezeiten usw.
2. Meditation und Spiritualität - andere Formen des "Egotrips"?
Zwei Begriffe spielen in der geistigen Landschaft, in der es heute um
die Wiederentdeckung des "Religiösen" geht, eine wichtige Rolle. Der eine
heißt: Egotrip. Man könnte dieses Wort umschreiben als Wille zur
Selbstwerdung, Selbstfindung, Persönlichkeitsentfaltung, Eigenständigkeit
und Verantwortung zu eigenem Lebensstil.
Im Zeitalter der Vermassung und gesellschaftlichen Überorganisierung scheint
dies eine notwendige Gegenreaktion zu sein gegen-
über wachsender Anonymität und Duckmäusertum. Die Menschen sind - nach den
Erfahrungen mit der Hitlerdiktatur und anderen imperialen
Herrschaftssystemen - sehr empfindlich geworden gegenüber denen, die "das
Sagen haben". Ob in Kirche oder Gesellschaft - sie werden verdächtigt, daß
es denen "da oben" mehr oder weniger um eigenes Vermögen, um eigene
Machtansprüche und persönliche Eitelkeiten geht. Auch da, wo um
irgendwelcher persönlicher Vorteile wegen applaudiert wird, sollten sich
Autoritäten nicht darüber täuschen lassen, daß ein äußeres "Hosianna"
durchaus ein inneres "Kreuzige ihn" zu vertuschen vermag.
Nicht von ungefähr reagieren gewählte Autoritäten "auf Zeit" oder auch
selbsternannte ziemlich allergisch gegen als Formen des "Subjektivismus".
Der Kulturkampf gegen die Intellektuellen - wie er zur Zeit in
Frankreich für ganz Europa vorausgesagt wird - scheint vorprogrammiert. Denn
diese schmecken nach "Autoritätslosigkeit" statt Gehorsam, nach
Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung, nach Egoismus statt Einordnung,
Unterordnung, Mitverantwortung in einer Gemeinschaft "mit gleichem Schritt
und Tritt". Damit verbunden, schwindet der Sinn für allgemeine Normen,
objektive Werte und Wahrheiten. Wahrheiten für mich erhalten
Priorität statt Wahrheiten an sich. Lebens-Inhalte werden gesucht,
die für das Gelingen des eigenen Lebens hilfreich und bereichernd sind.
Weil angeblich "ideologische Systeme" mit ihren "objektiv" gültigen Regeln
den Menschen geistig seßhaft, passiv, konform und "milieugeschädigt" werden
lassen, herrscht die Angst vor, ohne eigene Lebens- und Wegerfahrung bleiben
zu müssen, damit ohne Reife "infantil" zu werden. Um einer
selbstverantworteten Bastelbiographie willen nimmt man auch
schuldhafte Individuation und "Unmoral" in Kauf. Denn es scheint besser,
Fehler zu machen und Umwege zu gehen als keine eigenen Erfahrungen zu
sammeln. Besser zeitweilig ein irriges Gewissen als ein fremdbestimmtes,
entmündigendes und erniedrigendes. Systemerhaltende Systeme und Autoritäten,
die auf "Gehorsam" aus sind, werden deshalb gnadenlos ignoriert bzw.
kritisch hinterfragt. Immer geht es um eigene Lebensentwürfe. Religion und
Kirchen spielen nur insofern eine Rolle, als sie "caritativ" bzw. "sozial"
engagiert sind - in jedem Fall dem Leben dienen, der Bewältigung von Krisen
und Aufgaben, dem Lösen von Konflikten und Ungereimtheiten jeglicher Art.
Der zweite Begriff, der bei aller "Selbstwerdung" eine Rolle spielt,
ist eher auf eine Person bezogen. Er heißt: Guru. Bei aller
Autoritätslosigkeit wird dennoch - gleichsam durch die Hintertür - nach
einer neuen Autorität Ausschau gehalten. Der Guruismus
entfaltet eine beachtliche Wirksamkeit. Es handelt sich dabei um jene
"erleuchteten Menschen", die zu führen in der Lage sind: aus der Dunkelheit
ins Licht, aus der Unsicherheit in Halt, aus Zweifeln zu einer unerwartet
neuen gläubigen Anhänglichkeit.
Die Suche nach Erfahrenen und Erleuchteten statt Klugen und (Ein-)
Gebildeten mag mit der Einsicht verbunden sein, daß diese de facto ihren
eigenen Weg gegangen sind, ihre vielen Wiedergeburten überstanden
haben, um durch Meditation und Askese zu ihrer Erleuchtung zu
gelangen. Auf Erfahrene ist Verlaß - weniger auf Gedanken- und Ideenträger.
So jedenfalls ist es aus asiatischen Religionen nach Europa gekommen.
Es waren übrigens Europäer, die am einzig wahren Glauben des Christentums
ihre Zweifel hatten und seit der Aufklärung, vor allem im 18. und 19.
Jahrhundert, nach Asien zogen, um die asiatischen Religionen zu erforschen.
Namen wie Max Müller, Rudolf Otto, Arthur Schopenhauer, Max Scheler u.a.
stehen für einen erheblichen Beitrag dazu, asiatischen Religionen zu einem
neuen Selbstbewußtsein verholfen zu haben - Voraussetzung dafür, ihre
"missionarische Wirksamkeit" auf der ganzen Welt zu entfachen. Der
Weltkongreß der Religionen in Chikago (1893) hat den neuen Aktivismus
äußerlich ausgelöst, wie er innerlich vorbereitet war. Mit Max Schelers
Kritik am Christentum ist auch der Inhalt ihrer Botschaft auf einen Nenner
gebracht: das Christentum habe nur durch äußere Machtgewinnung die
Menschen erobert; den asiatischen Religionen sei es gegeben, die innere
Machtgewinnung zu erreichen.
3. Die "Spiritualität Jesu": der unerlösten Schöpfung eine "neue
Schöpfung" sein.
Spätestens seit der Zeit der Reformation ist viel getan worden, um auch im
Christentum - neben seiner Abgrenzung und Verteidigung nach außen - die
innere Machtgewinnung zu erreichen. Der eine Faktor heißt:
Pflege der Volksfrömmigkeit; der andere ist wohl noch
entscheidender: Katechismus-Tradition. Seit dem 16. Jahrhundert -
besonders nach dem 2.Weltkrieg in Deutschland - wurde der Katechismus in
vielen Editionen herausgegeben. Im Zuge der wachsenden Volksbildung und
-einschulung sollten möglichst viele durch den Katechismus in die Lehre der
Kirche, d.h. in deren dogmatischen Inhalte und moralischen Postulate,
eingeführt und damit vertraut gemacht werden. Das Auswendiglernen und
Erklären der Katechismuswahrheiten gehörte zur Standardausrüstung jeder
schulischen und religiösen Unterweisung - immer in Verbindung mit passenden
Illustrationen und (biblischen) Erzählungen.
Heute deutet Vieles darauf hin, daß diese Versuche mehr oder weniger
gescheitert sind. Es zeigt sich, daß durch das Kennen einer Lehre keine
neue Glaubens- und Überzeugungskraft hervorgerufen wird. Das mag heute
zum großen Teil daran liegen, daß die Menschen ganz andere Fragen und
Anliegen haben als sie "theoretisch" in den Lehrbüchern nachzulesen sind.
Zudem haben die Ergebnisse religions- wie auch human- bzw.
naturwissenschaftlichen Forschens den Kirchen buchstäblich die Sprache
verschlagen. Der Versuch des 2.Vatikanischen Konzils, im "Zurück zu den
Quellen" den Kontakt zur modernen Welt zurückzugewinnen, ist größtenteils
deshalb gescheitert bzw. in die Vergessenheit abgedrängt worden, weil sie
dem Willen zur "Restauration" der Lehre und herkömmlichen Kirchenverfassung
zuwiderlief. Fachleute diagnostizieren zu Recht eine schleichende
Ent-Dogmatisierung des Christentums - unter den Massen auch deshalb
wirksam, weil die Lehre der Kirchen zu ideologisch und "verkopft" erscheint,
zu weit weg vom wirklichen Leben und den zeitbedingten, stets im Umbruch
befindlichen tatsächlichen Verhältnissen.
Deshalb findet auf breiter Front eine Gegenbewegung gegenüber dem
Herkömmlichen weltweit Resonanz. Man könnte sie zu einem guten Teil eine
Irrationalisierung des christlichen Glaubens nennen. Begriffe wie
Gotteserfahrung, Geistbegabung, Mystik, Meditation... haben Hochkonjunktur.
Nicht nur "New Age" wirkt inspirierend; auch der Einfluß asiatischer
Religionen.
Ein frühes Spiegelbild dieses Einflusses ist das Reisebuch eines
Philosophen von Hermann Graf Keyserling, der 1911/12 durch Indien und
China reiste. Er begegnet indischen Heiligen, die nahezu das Gegenteil von
dem anstreben, was "wohlhabenden Europäern" heilig und unverzichtbar ist. Er
schildert ihren Lebenswandel und ihre Lebenseinstellung mit folgenden
Merkmalen: sie seien auf dem Weg zu einem "ganz Anderen"; sie seien auf der
Suche nach etwas, von dem sie nicht wüßten, ob es überhaupt existiert -
woran sie dennoch glaubten, damit ihr Leben Ziel und Sinn bekäme... Im
Gegensatz zu den meisten Menschen lebten sie in der Furcht, durch irdische
Machenschaften abgelenkt zu werden von Gott, von wirklich wesentlichen
Dingen.
Im einzelnen schildert Keyserling einen indischen Mönch als einen Heiligen,
der sein Leben in Fasten, Meditation, Ruhe und Stille verbringt; der sich im
Schweigen übt ohne Mitteilungsbedürfnis gegenüber anderen, weil das
Geheimnis in Worten nicht zu fassen ist; der dem Fortschritt der
Wissenschaft und dem Treiben der Menschen gegenüber gleichgültig bleibt; der
das Buddha-Dasein lebt, dabei einen hochintelligenten, wunderbar
durchgeistigten Gesichtsausdruck behält...
Die Wiederentdeckung des Heiligen, der mit der Stirn den Himmel
berührt, findet sich auch in christlichen Lebenswelten. Man denke an Gertrud
von le Forts "Hymnen an die Kirche": "Deine Heiligen sind wie Helden aus
fremden Ländern,/und ihre Gesichter sind wie eine unbekannte Schrift.../Sie
sind wie Wasser, die aufwärts fließen gegen die Berge"... - Botho Strauß
spricht von "theophaner Herrlichkeit". Die von "theophaner Herrlichkeit"
Betroffenen sind für ihn "keine diffusen Heiligen", sondern Menschen "mit
höchster Ahnung und Erfahrung des Heiligen, der Offenbarungsherrlichkeit des
biblischen Gottes". Weil sie "keine Spaziergänger" sind, irren sie
"abgewiesen durch die Zeit". Sie leben nachdrücklich im Gegensatz zum
Banalen, in der Feindschaft mit dem "Gleichgültigen, im Haß gegen alles
Ordinäre".
Dieser "Haß gegen alles Ordinäre" kann allerdings dazu führen, daß Menschen
sich anmaßen, den Weizen vom Unkraut unterscheiden und trennen zu können;
daß sie sich von den Aufgaben des Lebens abwenden; daß sie infolge ihrer
(eingebildeten) "Gotteserfahrung" und "Gottesfurcht" das Leben und die Welt
ihrem eigenen Schicksal zu überlassen geneigt sind; daß sie, aus manchen
Gründen ohnehin unfähig und unreif geblieben für handfeste
Lebensbewältigung, eine solche Entwicklung durch das Streben nach der
"Buddha-Natur" noch verstärken.
Mit anderen Worten: durch allzu hohe "himmlische Töne" läuft das Christentum
gegenwärtig Gefahr, sich durch religiöse Formen der Weltflucht und
Weltentsagung von seinen eigenen Ursprüngen zu entfremden. Mag dies zu
früheren Zeiten bereits durch Dogmatismus und Verkirchlichung
geschehen sein - was heute an "heiligen Vorbildern" am Horizont religiöser
Orientierungslosigkeit auftaucht, muß gemessen und kritisch hinterfragt
werden im Blick auf den Mann aus Nazaret. Dieser war auch "meditativ"
und "innerlich" - aber kein Mönch oder Mystiker. Er fragte auch nach
seinem Auftrag und seiner Sendung. Aber als einer, der von der
alttestamentlichen Tradition über die gefallene unerlöste Welt bzw.
Schöpfung geprägt war, übersetzte er seine Heiligkeit und Frömmigkeit in
eine Art "Weltleidenschaft Gottes" (Kurt Marti). Alles, was er sagte
und tat, war dazu angetan, Verwundetes zu heilen, Heilloses zu verwandeln,
Sündhaftem einen neuen Anfang zu setzen. Das Reich Gottes im Hier und
Heute war seine Leidenschaft - wenn es auch dem "Sämann" gut tut, auf
den Herbst zu warten und die Ernte einem anderen zu überlassen...
4. Wer in Gott versunken ist, sieht die Fliege an der Wand.
Von einem unbekannten Verfasser stammt das Wort: "Wer in Gott versunken ist,
hört das weinende Kind und sieht die Fliege an der Wand. Wer das weinende
Kind nicht hört und die Fliege nicht sieht, ist nicht in Gott versunken,
sondern nur in sich selbst".
In diesem Satz ist in knapper Form der Unterschied artikuliert zwischen dem,
was jesuanische Spiritualität ausmacht und dem, was sich besser
nicht mehr christlich nennen sollte. Jesus, der in der
alttestamentlichen Tradition aufwuchs, um diese nicht aufzulösen, sondern
durch die Liebe zu erfüllen, bewies diese Rolle stets in der Zuwendung
zum Menschen, in seiner Weltleidenschaft.
Um die Welt heiler und erlöster zu machen, galt es vor allem, sich im
"Loslassen" zu üben. Fasten und Meditation bestanden für ihn zunächst
darin, auf Distanz zu gehen zu den dem Menschen innewohnenden Neigungen:
Dinge besitzen, sammeln, festhalten, stapeln; darin "Sicherheit" suchen und
sogar "Gottgefälligkeit" vermuten; sich bei Macht- und Einflußbesitz wichtig
und unverzichtbar vorkommen...
Deshalb steht auch die Versuchung Jesu in der Wüste (Mt 4.1-11) am
Anfang seines öffentlichen Wirkens: Jesus weist teuflische Mächte und
irdische Neigungen in ihre Grenzen; er entzieht sich obskuren und
verdächtigen Forderungen nach der ZurSchauStellung der Macht. Jesus "wehrt
den Anfängen" und fordert das "Umdenken" als Voraussetzung für neues
Verhalten.
Nur wo neues Verhalten als Ergebnis des Betens und Fastens zutage
tritt, werden die Gefahren der Gottes-Einbildung (bzw.
"Gottes-Erfahrung") und des magischen Denkens überwunden. Das Tun
der Wahrheit im Blick auf eine zu erlösende Welt und kranke Menschheit
ist sozusagen die Bewährungsprobe für aufrichtige Gesinnung. Die Kritik
am Fasten wird vom Propheten (Jes.58.1-12) als eine fromme Maske
dargestellt, weil sie nichts an Unrechtsverhältnissen im Lande ändert.
Gottgefälliges Fasten müßte den Unterjochten Erleichterung bringen,
Speisung den Hungernden, Befreiung den Gefangenen...
Der Sinn des Fastens und Betens besteht also im Teilen der zum Leben
notwendigen Güter und Kräfte, in einem "Mehr an Gerechtigkeit". Jesus weitet
diese Sicht noch aus, indem er Tischgemeinschaft pflegt mit den Armen
und Bedürftigen (Mk 2.13-22). Und christliche Gemeinden sollen "unauffällig
fasten" (Mt 6.16-18) und dabei fähig werden zu sozialem Engagement, zu den
Werken der Barmherzigkeit.
Gleiches gilt vom Beten. "Wenn ihr betet, macht es nicht wie die
Heuchler..."(Mt 6.5-15). Oder von der Ambition des Menschen nach Macht
und Einfluß: "Ihr wollt in den Synagogen die vordersten Plätze haben und
auf den Straßen und Plätzen von allen gegrüßt werden... Ihr seid wie Gräber,
die man nicht mehr sieht; die Leute gehen darüber, ohne es zu merken" (Lk
11.43-44).
In der Bibel bedeutet "umdenken", die Wirklichkeit der Welt und des Lebens
auf eine neue Weise wahr-zu-nehmen. Ohne das sind die Reden der Menschen
"klingende Schellen". Sie bezeugen "Narrheit", d.h. Geistesblindheit,
Realitätsferne und Gottesleugnertum, menschliche Unzulänglichkeiten -
Quellen für Unfrieden und Unheil in der Welt.
Zum Umdenken gehört aber auch die wachsende Fähigkeit des Menschen zu sich
selbst, d.h. seine persönliche Berufung und Begabung realistisch zu
begreifen und einzuschätzen. Nicht Einbildungen, falsche Selbsteinschätzung,
Über- und Untertreibungen machen den Menschen reif und fähig für seine ihm
zugewiesenen Aufgaben in der Welt. Es geht um das Begreifen des
persönlichen einmaligen Angerufenseins. Denn jedem Menschen wurde eine
besondere Gnadengabe geschenkt (1Kor7.7). Es gilt, sie im Leben und
in der Gemeinschaft mit anderen zu entfalten und so "Selbstwerdung" zu
erreichen (1Kor 12-13). Denn das von Gott "angesprochene Leben", welches
persönlich und unwiederholbar zu hören und nicht zu überhören gilt, wird
erst volles Leben sein, wenn es dem Wohl anderer, schließlich der gesamten
Menschheit dient.
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