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Unglaublich, was Christen glauben (VI).
März 2004
Für Betroffene ist es erschreckend zu
beobachten, wie sehr das "Image" der Kirchen einen Tiefstand
erreicht hat. Wenigstens seit dem 2.Weltkrieg ist es immer mehr
"bergab" gegangen. War Hochhuths "Stellvertreter" der
entscheidende Auslöser? Oder das Verhalten wichtiger
Kirchenfürsten während der NS-Zeit? Ist der allgemeine
Säkularisierungsschub, der durch unsere Gesellschaften geht,
daran schuld?
Man kann die Fragen bis ins Unendliche weiter stellen, ohne eine
eindeutig-plausible Antwort zu finden. Faktum ist: mit dem
"Imageverlust" der Kirchen sinken auch der Wert und die
Bedeutung des "Substantiellen", worum es ursprünglich ging und
überhaupt geht? Auf das "Nein zur Kirche" in weiten Kreisen
folgt automatisch das "Nein zu Jesus" und dem, was er wirklich
gewollt hat...
Im Folgenden soll nur eine Frage und eine Antwort
versucht werden, die mit persönlichen Fragen und Zweifeln
etwas zu tun haben. Es geht also nicht um "die Kirche",
auch nicht um deren "frohe Botschaft", sondern zunächst
um uns selbst.
VI. Es lohnt sich, Christ zu sein - trotz Fragen und Zweifel.
In einer Zeit des Umbruchs und der neuen Unsicherheit ist es
für Christen sehr schwer geworden, ihr "Christsein" genauer zu begründen und
das Wort "Pfarrgemeinde" klar zu definieren. Wozu sind wir als Christen und
als Gemeinde überhaupt gut? Viele stellen sich eine solche Frage. Wenn dann
"Abständige" und "Atheisten", die keine Christen sind oder mit der Kirche
"nichts am Hut" haben, auch eine solche Frage stellen - was können Christen
darauf antworten?
Manche neigen dazu - sozusagen wie aus der Pistole geschossen - herkömmliche
und altbekannte Antworten zu geben:
- als Christen feiern wir Gottesdienste und Sakramente;
- als Christen hören wir uns gerne eine gute Predigt an;
- als Christen reden wir miteinander, in Gruppen und Gesprächskreisen;
- als Christen lesen wir die Bibel, beten, singen miteinander;
- als Christen feiern und tanzen wir aus allen nur denkbaren Anlässen;
- als Katholiken haben wir einen Papst und ein unfehlbares Lehramt...
Wo es um theologische oder "typisch kirchliche" Anliegen geht, werden von
heutigen Zeitgenossen immer wieder kritische Rückfragen gestellt:
- hat das nicht alles mit der Erhaltung des "Systems Kirche" zu
tun?
- was hat das alles mit Deinem Leben zu tun; mit Deinen
alltäglichen Sorgen und Berufsaufgaben; mit Deinen Begegnungen mit
Freunden und Feinden; mit Deinen Mitbürgern/Innen, die keine
Christen sind oder sich "konfessionslos" nennen?
Die Antworten auf solche Fragen können nicht mehr einfach
"kirchlich-theologisch" gegeben werden. Es herrscht eine gewisse
"Kirchen-Allergie" vor. Sehr oft hilft der Katechismus nicht weiter. Auch
Hirtenbriefe und kluge theologische Traktate sind oft "ziemlich weit weg vom
Leben", d.h. von meinem Leben, von meiner Lebenssituation und
von den kritischen Rückfragen anderer. Auch sakramentale Feiern wirken oft
nur solange, bis die Zeit der "Erbaulichkeit" vorbei ist. Danach ist und
bleibt alles wieder beim Alten... Ein solcher Gesamteindruck wirkt
verunsichernd und wirft Zweifel auf - für viele ein erster Schritt in die
"innere" oder auch "äußere Emigration".
Konkrete Fragen, die etwas mit einem konkreten Menschen, mit mir, mit uns
selbst und dem persönlichen Glauben und Christsein zu tun haben,
machen viele eher ratlos als gesprächig, d.h. je persönlicher
Menschen über ihr eigenes Leben nachdenken, desto "weiter weg" sind
allgemeine Antworten, die den Anspruch erheben, "für alle gültig" zu sein.
"Theoretisches" kann Heutigen in ihren unterschiedlichen Lebenslagen
vielfach nichts mehr geben.
Es wird wichtiger als je zuvor, daß Christen selbst das Denken üben und
lernen, besonders auch in religiösen Fragen. Da melden sich in den eigenen
Reihen gleich Bedenken: Wo kommen wir denn hin, wenn jede/jeder eine eigene
Meinung hat? Kann man den "Glauben" beliebig verstehen und diskutieren?
Zunächst steht Eines fest: heute, in einer Zeit persönlicher und sozialer
Umbrüche, können Menschen - wenn es um Christentum und Kirche geht, aber
auch sonst - nicht mehr von oben nach unten denken. Als erstes müssen
sie darauf bestehen, nach sich selber zu fragen: nach dem, was sie im
Leben treibt und antreibt; nach dem, was sie von Jugend an bewegt und was
wichtig geworden ist; nach dem, was ihre Sorgen, Ängste, Siege und
Niederlagen ausmacht; nach dem, was sie selbst sind: mit ihren Gaben und
Fähigkeiten, Schwächen und Stärken, persönlichen Einsamkeiten und sozialen
Bindungen; nach dem, was ihre bisherigen - sie prägenden - Lebenserfahrungen
und Hoffnungen sind?
Wenn es auf Anhieb auch sehr "egoistisch" klingt, müssen sie dennoch
zunächst ihren Ich-Zustand klären, um dann auch Fragen an sich
herankommen zu lassen, die die Menschheit schon immer beschäftigt hat und
die für Christen noch einmal eine besondere Färbung erhalten haben:
- was hat das, was ich bin, mit der Frage nach Gott zu tun?
- was hat das mit einem Gott zu tun, den wir "Schöpfer des Himmels und
der Erde" nennen, also auch unserer Mitmenschen?
- mit Jesus Christus, seinem "exemplarischen Denken und Handeln"?
- mit seinen von ihm vorgelebten Werten und Haltungen?
- mit seiner heilsamen und befreienden Botschaft?
- mit seinen erlebten Feindschaften bis zum Tod am Kreuz?
- mit seinen Zukunftsperspektiven, die das Werden und Wachsen des
Reiches Gottes betreffen?
- mit seinem heilsgeschichtlichen Denken, in dem jeder Mensch seinen
Platz und seine Rolle hat?
Es stellt sich mit anderen Worten die Frage: kann sich ein Christ mit
Jesus - oder einem Menschen in seiner Nachfolge bis in unsere Generation
hinein - identifizieren?: z.B. mit eigenen Eltern, mit Martin Luther
King, mit einem Lehrer oder Priester, dem Papst usw? Was wird dabei, was ist
dabei wichtig (geworden), was tragfähig für die persönliche Lebens- und
gemeinsame Weltgestaltung?
Unterschiedliche Menschen in einer Gemeinde beantworten solche Fragen sehr
unterschiedlich. Jede/jeder entwickelt dabei eine eigene Meinung und
"Option". Solche Verschiedenheit kann zu Gegensätzlichkeit
führen, zu Unverständnis und Befremden untereinander. Das
passiert meistens dann, wenn jemand meint, seine persönlichen Gedanken
"dogmatisch" für andere verpflichtend zu machen; wenn jemand anfängt, ein
"Lehramt" für alle anderen zu spielen...
Verschiedenheit kann aber auch zu einem vielstimmigen Orchester
werden: mit unterschiedlichen Tönen und Instrumenten, die nun einmal zur
Gewalt und Kraft eines Orchesters gehören. Ein solches "Orchester" ist
notwendig, wenn Gottesdienste und Sakramente "Bodenhaftung" bekommen sollen.
Die "Symphonie" von verschiedenen Menschen und Charakteren ist Voraussetzung
für aufrichtige Zusammenkünfte und wahre Gottesdienste. Denn die "Ehre
Gottes" - das sind lebendige Menschen.
Darin bestehen auch Sinn und Aufgabe von Christen und christlichen
Gemeinden auf Zukunft hin: im Namen Jesu jene befreiende Kraft und
Lebensfreude zu entfalten, wie sie seit 2000 Jahren Erneuerungsbewegungen
und Gemeinden immer wieder gelungen sind.
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