Gratis Info-Brief
Sie möchten regelmäßig über neue Beiträge auf meiner Webseite informiert werden?
Dann abonnieren Sie einfach meinen
Info-Brief...
|
|
Unglaublich, was Christen glauben (VIII).
Mai 2004
Im Evangelium ist wiederholt vom "Sauerteig" des Wortes Gottes die
Rede - so, als wäre etwas beim Menschen und in der Geschichte wirksam,
welches langsam, aber beständig wächst. Ebenso wird vom "Geist Gottes"
gesprochen, der in der gesamten Schöpfung wirkt, wo immer er will. Könnte es
also sein, daß dieser "Sauerteig" unter dem Einfluß des Geistes mehr das
Leben von Menschen bestimmt und es prägt, als es von vielen "religiös
Festgelegten" wahrgenommen wird? Bei allem "Unkraut des Bösen", welches in
der Welt wuchert, wächst auch der "Weizen des Guten". Ihn zu fördern, ist
eine eminent pädagogische, weniger doktrinäre Aufgabe. Für die
Kirchen wäre es das Gebot der Stunde, aus ihrer übergroßen theologischen
Beschäftigung mit sich selbst auszubrechen, um in dem für sie weithin
"fremden Land", welches "moderne Menschheit" heißt, pädagogische Kräfte
zu entfalten. Dabei könnte sie erkennen, welches die Wege Gottes mit der
Menschheit sind.
VIII. Der Glaube an die "Frohe Botschaft" - eine allmählich wachsende
Einsicht und Erkenntnis.
Von "froher Botschaft" zu sprechen, ist Normalität geworden. Um so
erstaunlicher ist es, daß eine wachsende Anzahl vom Menschen das "Frohe"
dieser Botschaft kaum zu begreifen scheint. Aus anthropologischer Sicht ist
es auch kaum begreiflich, wenn diese Botschaft als "Lehre" (Leere), als
Postulat, als Kirchendoktrin verkündet wird. Die Bibel zeigt bereits im AT,
daß jedem Menschen ein originärer Lebensplan aufgegeben ist, den es
zu erkennen und zu praktizieren gilt. Nur wer seine persönliche
Lebensbestimmung findet und den Mut hat, seinen Weg zu gehen, hört auf,
eine Schablone zu sein. Er vermag sein Leben als sinnvoll zu erfassen und
ausgesöhnt zu sein mit sich selbst und seiner Umwelt. Dabei muß er es
lernen, in den täglichen Herausforderungen des Lebens Zeichen und Hinweise
zu erkennen, denen er folgt und die ihn führen - ohne immer zu wissen,
wohin? Ohne es zu wissen, wachsen dabei auch Sensibilität und Offenheit für
die letzten Fragen des Lebens - auch für Gott.
Sinnvoll gelebtes Leben hat immer etwas mit dem Gehen des eigenen
Weges zu tun - in Freiheit und Selbstverantwortung. So ist es auch mit
dem Glauben. Jeder Satz- und Buchstabenglaube macht tot. Ein lebendiger
Glaube ist immer vom Geist und der Inspiration Gottes mitten im Leben
bestimmt. Das Wirken des Geistes Gottes aber ist nicht an kirchliche und
konfessionelle Hecken und Zäune gebunden. Kirchen müßten also ihre zentrale
Aufgabe darin sehen, ihren Blick und ihre Grenzen immer wieder auszuweiten
auf die Grenzen der Welt. Pädagogische bzw. religionspädagogische
Kompetenz wäre das Gebot der Stunde. Solche "Kompetenz" bedeutet die
Fähigkeit und Kraft, etwas zu entfalten, was im Menschen grundgelegt ist.
Nur wer auf diese Weise den Menschen kennenlernt und ernst nimmt, vermag
ernsthaft über Gott zu reden. Alles andere bleibt leeres Stroh, wenn auch
noch so intelligent vorgetragen und verkündet. Dazu folgende Hinweise:
1. Was das Evangelium als "Sauerteig" betrifft, kann man sich des Eindrucks
nicht erwehren, daß die grundlegenden Anliegen der Botschaft Jesu in der
Menschheit weiter und nachhaltiger verwurzelt sind als gemeinhin angenommen
wird. Man denke an die Entdeckung und Verteidigung der Menschenrechte; an
die demokratischen Bewegungen; an die vielen Millionen, die gegen Hunger und
Armut weltweit Hilfe erfahren (wenn auch noch lange nicht genug); an die
"Ärzte ohne Grenzen"; an die persönlichen Einsätze Freiwilliger in den
Notstandsgebieten der Welt; an die vielen Tausenden, die
"Nachbarschaftshilfe" leisten und ihre Kranken/Alten in mühevoller Arbeit
umsorgen und pflegen; an die Frauen und Eltern, die auf viel Privates uns
Berufliches verzichten, um für Kinder und Familie da zu sein... Vieles, was
da geschieht, ist mit der Gerichtsrede Jesu und anderen Texten sehr verwandt
(vgl.Mt 25,31-46).-
Daneben stehen die gut organisierten und strukturierten Kirchen und
Konfessionen, die sich mit ganz anderen Sorgen und Fragen beschäftigen als
die Mehrheit der Menschen, von denen hier die Rede ist. Ob diese bewußt
immer "gläubig" sind? Jedenfalls ist es ihnen aufgegeben, sich den täglichen
Herausforderungen des Lebens zu stellen. Innerhalb der Kirchen haben ihre
Erfahrungen weder liturgisch noch sakramental noch theologisch ein
besonderes Gewicht. Was ihre Gedanken betrifft, gibt es für sie keine
Sprache, keine "Theologie". Weil ohne Einfluß, sind sie weit weg von der
Betriebsamkeit der Kirchen. Im Sinne des früheren Papstes Johannes Paul I.
verlassen sie die Kirche, weil die Kirche sie zuerst verlassen hat...
2. Während sich Millionen Menschen recht und schlecht herumschlagen mit dem,
was man konkrete Liebe und Lebensbewältigung nennen könnte - bei vielen
(wenn auch nicht bei allen) "Werke der Barmherzigkeit" - , schlagen sich die
offiziellen Vertreter der Kirchen mit Problemen herum, die für die Mehrheit
keine sind: mit theologischen und ökumenischen Fragen der "Rechtfertigung",
mit dem "richtigen" Sakramenten- und Ämterverständnis, mit der Möglichkeit
oder Unmöglichkeit ökumenischer Gottesdienste usw. Menschen mit handfester
Lebensbewältigung (aus dem Glauben), weil völlig anders orientiert, hören
immer mehr auf, das "Offizielle" der Religion als ernst zu nehmenden Faktor
in ihr Leben zu integrieren. Das um so weniger, je mehr der Eindruck
entsteht, daß sich die Kirchen theologisch, liturgisch und rituell um den
Bestand ihrer Verfaßtheit kümmern, aber wenig vom Leben der Menschen
verstehen. Es müßte also viel geschehen, um deren Leben sprachlich,
liturgisch und symbolisch zur Sprache zu bringen. Denn was ist das "Gebet"
denn anderes als das Sprechen mit Gott über das, was sich bedrängend im
Leben abspielt?
3. Im Grunde steht heute das ureigene Verständnis von Religion am
Scheideweg. Ist "Religion" Ahnung und Einführung ins "Mysterium" - wozu (wie
in archaischen Religionen) nur die "Geheimnis-" bzw. "Amtsträger" einen
unmittelbaren Zugang bzw. "Berufung" haben? Oder ist "Religion" die
unmittelbare Ahnung, Sehnsucht und Suche des Menschen nach Gott und
Transzendenz mitten in der Immanenz dieser Welt - Eigenschaften, die auf
Entfaltung und Hilfestellung durch andere angewiesen bleiben. Wie sich
zeigt, gehen solche im Leben aufbrechenden Dynamismen an allen religiösen
"Vermittlern" vorbei, wenn diese Ideologen statt Pädagogen sind. Die
"Menschwerdung Gottes" - zentrales Glaubensbekenntnis der Christen - ist ein
klassisches Beispiel dafür, wie Jesus Menschen orientiert und führt, statt
sie (voreilig) mit Riten und Liturgien zu umgeben.
4. Die Frage, wie eine "Volksliturgie" und "Volkstheologie" entwickelt
werden können, kann nur vom "christlichen Volk" selbst beantwortet werden.
Dessen Sprache muß gehört und verstanden; dessen Sprachfähigkeit
und -mächtigkeit müssen mit allen Mitteln gefördert werden. Um solche
Ziele zu erreichen, bedarf es neuer Formen des Kircheseins, in denen
das Miteinander-Sprechen gelernt und das Aufeinander-Hören praktiziert wird.
Im "Dialog" sind Gegenstand der Gespräche dabei keine theologischen Begriffe
und kontroversen Lehren, sondern die Werte und Lebensformen des
Evangeliums, die für das Hier und Heute erschlossen und lebbar gemacht
werden. Traditionskirchen müssen allerdings darauf gefaßt sein, daß
Menschen "von unten" dabei ein bisher nie gekanntes Selbstwertgefühl und
Glaubenskompetenz entwickeln. Diese zu ignorieren, würde auf kurz oder
lang den Tod der Kirchen zur Folge haben.
5. Um aus der Krise zu kommen, bedarf es einer Magna Charta aller
Kirchen, die sich auf die Denk- und Handlungsweisen der Personen des
Evangeliums einlassen, um deren Lebbarkeit und "Brauchbarkeit" für das Hier
und Heute zu erproben. Es gilt aber auch, deren Notwendigkeit immer
wieder bewußt zu machen. Denn was geschieht mit jedem Menschen und der
ganzen Menschheit, wenn Haß statt Liebe triumphieren; soziales Elend statt
Gerechtigkeit; Fanatismus statt Toleranz; Dummheit und Verblendung statt
"getane Wahrheit" in Glaube und Hoffnung...? Die Geschichte der Menschheit
ist voll von beiden Erfahrungen: denen zum Guten und denen zum Bösen.
Entscheidend auf Zukunft hin wird sein, daß sich niemand mehr mit großen
Worten und klingenden Sonntagsreden begnügt. Nur noch beispielhaftes Leben
von Christen aller Kategorien wird glaubwürdig sein. Die Frage ist nicht: ob
Gott oder nicht Gott? Sondern: Welche Konsequenzen der Glaube an Gott nach
sich zieht? Feierlich-klingende Schellen und hohles Geräusper im Religiösen
gibt es hinreichend genug.
6. Es geht in Zukunft darum, das Christentum wieder als
Beziehungs-Religion statt Theologen- und Satzungsreligion zu begreifen
und zu etablieren. Menschen, die auf gemeinsamen religiösen Werten
Beziehungen untereinander zu leben lernen, erleben diese auch als sinnvoll
und lebensträchtig. So ist es auch in der Beziehung zu Gott. Aus
Gottesahnungen und -vermutungen können innere Sicherheit und gläubige
Gewißheit wachsen. Das Thema Frohe Botschaft kann nur von denen
aufgegriffen und sinnvoll verstanden werden, bei denen Prozesse äußeren
und inneren Wachstums zustande kommen. Sonst bleiben hehre Worte "tote
Pferde", von denen rechtzeitig abzusteigen, schon frühere Indianerstämme
dringend geraten haben.
7. Das Leitthema für die gesamte Christenheit könnte auf Zukunft hin
das Wort eines serbisch orthodoxen Patriarchen sein: Christen versammeln
sich "im Namen Gottes - nicht im Namen von Ideen, toten Symbolen und
vergänglichen Dingen".
|