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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Was ist Religion (2)? :
Gefühl, Rausch, Erlebnis, Event?

Juli 2005

Es war ungefähr vor 25 Jahren. Damals reiste ein Bischof aus dem Vatikan in Deutschland herum, um Weltjugendtage mit dem Papst ins Leben zu rufen. Er fragte auch mich: ob ich bereit sei, im Raum München diese neue Initiative zu organisieren und zu koordinieren? Vor mir hatte er schon andere gefragt. Im Gespräch bekam ich deren negative Reaktionen zu hören. Sie hatten aus verschiedenen Gründen abgewinkt. Meine Frage: warum schließt sich der Papst nicht den Weltjugendtagen von R. Schutz (Taize’) an? Dieser zieht die Jugend weltweit an; er verkörpert eine ansprechende, überzeugende Spiritualität und Glaubensausrichtung! - Ich bekam die Antwort: Genau das ist das Problem. Wie kann man einem Protestanten die alleinige Initiative überlassen? Was R. Schutz kann, das kann der Papst auch...

Diese Antwort hat auch mich veranlasst, abzusagen und bis auf den heutigen Tag skeptisch zu bleiben. Bis heute frage ich mich: wäre es nicht wirklich besser gewesen, eine solche Initiative "ökumenisch" zu ergreifen und zu gestalten? Im Blick auf Köln im August dieses Jahres zeigt sich wie schon oft dasselbe Bild: ein paar Stunden Erlebnischristentum weltweit wird wie der Sand am Meer im Winde verwehen - trotz ungeheurem Aufwand an Personal und Geld. Knapp 100 Millionen soll das Großereignis in Köln kosten. Der Papstaltar, für eine Kundgebung aufgebaut, schlägt angeblich mit 1,5 Millionen zu Buche. Das Ausleihen einer Bühne, wie sie junge Leute für das Aufführen von Konzerten gewohnt sind, würde ca. 100.000 Euro kosten.

Wer soll das bezahlen? Wer hat soviel Geld? Hätte man Geld und Aufwand nicht für viel wichtigere und effektivere Dinge gebrauchen können? Köln könnte unter dem Strich nicht nur für ein religiöses Weltereignis stehen, sondern auch für eine zum Himmel schreiende Sünde...

Aber etwas Wichtigeres gilt es im Zusammenhang mit solchen und ähnlichen Großereignissen zu bedenken. Auch die römischen Massenveranstaltungen im Zusammenhang mit dem Tod Papst Johannes Pauls II. und der Wahl seines deutschen Nachfolgers bekunden den Versuch, aus der Religion medienwirksam das zu machen, was sie nicht ist: Gefühl, Rausch, Erlebnis..., wenn diese auch am meisten ansprechend sind. Ein italienischer Schriftsteller schrieb in diesem Zusammenhang: "Daß Religion... keinen Einfluß mehr auf das Verhalten der Menschen in Italien ausübt, hat bisher noch in keiner Weise etwas an ihren Kirchengewohnheiten geändert". -

Die Teilnahme an kirchlichen Zeremonien, z.B. aus Anlaß der Investitur von Bischöfen und Kardinälen, der Einführung des Papstes in sein Amt... sei selbstverständlich. "Aber diese Zeremonien haben nichts mit Glauben zu tun". - Haben religiöse Massenveranstaltungen solcher Art überhaupt etwas mit Glauben zu tun? G.L. Lichtenberg (gest. 1799) hat bereits vor über 100 Jahren die Frage gestellt: "Ist es nicht sonderbar, dass die Menschen so gern für die Religion fechten und so ungern nach ihren Vorschriften leben?" - Und der bekannte Satiriker Gerhard Polt hat einmal in Erinnerung gerufen, dass zur Zeit des Kaisers Trajan (98-117) manchmal an einem Tag in Rom - bei Gladiatorenkämpfen; Tierhetzen und Zirkusspielen - 5000 Christen getötet wurden. Unsere Zeit sei gar nicht so unähnlich. Er schreibt: "Lassen Sie dieselben Schauspiele im Münchner Olympiastadion durchführen, das Stadion ist voll. Die Löwen brächten wir schon her, aber 5000 Christen nicht mehr".

Religiöse Massenveranstaltungen können Selbsttäuschungsmanöver sein, Lebenslügen. Sie lassen bei Nachdenklichen leicht den begründeten Verdacht aufkommen, man wolle mit Hilfe von Zeremonien, feierlichen Liturgien, aufwendigen Festlichkeiten und medienwirksamen Inszenierungen die entscheidende "Sünde" überdecken bzw. verdrängen, die heute das eigentliche Problem darstellt: nämlich es nicht fertig gebracht zu haben, die Religion menschennah, lebensnah, wirklich tragfähig fürs Leben verkündet und gestaltet zu haben... Religion, die das Verhalten von Menschen nicht mehr prägt - was ist das für ein Religionsverständnis?
 


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