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Sonntagsgedanken für den Alltag (2):
Der reiche Prasser und der arme Lazarus
(Nach Lk 16.19-31; Ev. vom 26.So.i.J. C)
Oktober 2010
Es wäre ein Leichtes gewesen, dem armen Lazarus ein Stück Brot
zuzuwerfen. Dem Reichen hätte es nicht im Geringsten geschadet. Aber er tat
es nicht. Er erweist sich hier "typisch menschlich". Wie viele Menschen in
der Begegnung mit Armut und Not hatte er seine Ausreden: der Faulenzer soll
arbeiten gehen; er soll sich nicht einfach so herumtreiben und auf andere
hoffen; er soll sich zusammenreißen und selbst tun, was er kann... Nicht
umsonst ist auch seine Haut bereits krank und faul geworden.
Der Reiche hätte sogar, wenn er klug gewesen wäre, zu seiner Rechtfertigung
günstigere Ausreden finden können: vielleicht hat der Arme noch nie im Leben
eine Chance gehabt; sein Vater kann ein Säufer gewesen sein und seine Mutter
eine Schlampe; als Kind wurde er vernachlässigt – hat nie geordnete
Verhältnisse kennen gelernt, nie einen Hauch von Anstand und Bildung
erfahren, ist dumm geblieben. Wie konnte aus so einem etwas Brauchbares
werden?
Solche und ähnliche Gedanken machte sich der Reiche wohl nicht. Sie hätten
sein Gewissen beruhigen können. Aber: ein Gewissen hatte er nicht. Er tat
gegenüber dem Armen nichts. Nicht das Geringste, wozu der schlechteste
Mensch vielleicht noch fähig gewesen wäre. Wer nichts tut, kein Verständnis
aufbringt und den anderen einfach in der Gosse liegen lässt, ist eigentlich
gar kein Mensch mehr. Ein Mensch ohne Eigenschaften und Gewissen hat die
Grenze des Mensch-seins längst überschritten. Er ist ein Un-Mensch und
verdient des Namen eines Menschen nicht.
Das Evangelium verlangt nicht einfach nur "Barmherzigkeit" bzw. einen
Schimmer von "Wohltätigkeit". Das wohl auch. Aber es zeigt darüber hinaus,
dass Menschen schnell, unbemerkt und äußerlich unauffällig zu Un-Menschen
werden können, zu Bestien, zu Raubtieren... Die Geschichte der europäischen
Menschheit seit Christoph Columbus, seit den Hexenverbrennungen, seit der
Verfolgung und Hinrichtung "Ungläubiger", seit den Religionskriegen und den
beiden letzten Weltkriegen... ist bevölkert von solchen Unholden und
Zerstörern jeder Humanität.
Gegenwärtig wird bei schweren Naturkatastrophen immer wieder Geld gesammelt.
Weltweit. 2010 für Haiti, für Pakistan, für Länder in Armut und Not. Was
geschieht mit den vielen Millionen? Es dauert immer eine Zeitlang, bis
feststeht: das meiste Geld ist bei den Armen nie angekommen, ist in den
Taschen von Un-Menschen und Raubtieren gelandet. Äußerlich erkennt man sie
nicht als solche. Sie tauchen auf den großen Weltkonferenzen auf: wohl
gekleidet mit weißen Hemden und bunten Krawatten. Sie reden über die
Wichtigkeit von Moral und guten Sitten. Aber innerlich sind sie wie Wölfe,
denen nichts an der Armut und dem Elend ihrer Völker liegt.
"Manche sind durch ihren Reichtum zugrunde gegangen", hat Aristoteles ein
paar hundert Jahre vor Christus bereits festgestellt. Heute droht, durch die
Gier der einen und die äußerste Armut der anderen, die ganze Welt im
sozialen Chaos zu versinken. Das Beispiel vom reichen Prasser und dem armen
Lazarus ist ein Mahnruf an Menschen, denen jede soziale Verantwortung
abhanden gekommen ist; die es verdienen, geächtet und – falls Christen –
exkommuniziert zu werden. Aber auch ein Mahnruf an eine verkehrte Welt.
Realisiert müsste werden, was der Volksmund schon immer gewusst hat: "Wer
viel hat, ist nicht reich. Reich ist, wer wenig braucht".
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