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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Strukturreformen in der Kirche. Warum sie wahrscheinlich ins Leere laufen...

Juli 2003

In meinem Buch: "Christentum auf dem Prüfstand. Der Lehren sind genug verkündet - Jesu Aufforderung zum 'wahren Leben' " (Aachen 2001) geht es hintergründig um die Frage: in der Krise der Kirche - gelingt es da, den "Übergang zu gestalten" oder läuft alles "Reformieren" auf den "verwalteten Untergang" hinaus? Vieles, was heute in den deutschen Diözesen geschieht, scheint das Letztere zu bestätigen. Da ist - angesichts des wachsenden Priester- und Gläubigenmangels; ebenso wie der alles bedrohenden Finanzkrise - von "Strukturreformen" die Rede, von "neuen pastoralen Räumen", neuen Dekanats- und Seelsorgeeinheiten... Es wird behauptet: "Die großen Ziele der Kirche sind klar". Sie heißen: den Glauben an Christus verkünden, das Eucharistie- und Sakramentenverständnis vertiefen und verlebendigen, sich vom "schöpferischen Geist Gottes" beschenken lassen und so "geistliche Erneuerung" pfingstlich geschehen lassen... 

Aber gerade da, wo bei den "Profis" angeblich viel "Klarheit" herrscht, schlägt heute fragenden und suchenden Christenmenschen der Geist der Anfechtung und der Zweifel entgegen. Er weht nicht so sehr aus der "gottlosen Welt", sondern kommt von christlichen Konfessionen und religiösen Bewegungen, die mehr vom biblischen Geist und weniger von dogmatisch-kirchenrechtlichen Vorgaben bestimmt sind. Von ihnen kommen "Anfragen". Sie sind oft verbunden mit dem glaubwürdigen Bemühen, lebendige Antworten nicht einfach durch Lehre und Indoktrination zu geben, sondern eher durch sichtbare Lebensführung und Lebenspraxis. Von daher sind sie als echte Alternativen zu verstehen und werden auch so verstanden. Die Anfragen an die für recht oberflächlich angesehenen Strukturreformen der Kirche lauten:

  1. Was wird denn da für ein "Glaube" verkündet? Ein verkirchlichter, der im Grunde Menschen mobilisieren und bei der Stange halten soll - so wie jeder Verein versucht, seine Mitglieder zu binden? "Kirche" stellt sich somit ungewollt als ein Verein neben vielen anderen Vereinen dar!
  2. Ist der Originalton Jesu, das Elementare seine Botschaft über das rein Rhetorische und Predigthafte hinaus wirklich handfestes Anliegen? Oder geht es in Grunde doch nur um den Erhalt einer mittelalterlich gewordenen hierarchischen Kirche und Kirchenordnung, in deren Dienst das "Volk Gottes" steht?
  3. Ist das Sakramenten- und Eucharistieverständnis wirklich klar, d.h. biblisch grundgelegt oder ist es nicht eher doch Ausdruck einer philosophischen Theologen- und Lehramtsdenkweise, die die meisten Menschen in ihrer angeblichen "Klarheit" und "Eindeutigkeit" noch nie verstanden haben und heute immer weniger zu verstehen bereit sind, wobei stets der Hinweis eine entscheidende Rolle spielt, dass sie nur sehr wenig das faktische Leben der "einfachen Leute" berühren.
  4. Falls der viel beschworene "schöpferische Geist Gottes" zu wirken anfangen sollte - was geschieht mit den Menschen, die auf Grund ihrer Fähigkeiten und Charismen ("Gottesebenbildlichkeit") anfangen, innerkirchlich "schöpferisch" zu sein? Was geschieht mit den bisherigen hierarchischen Strukturen, was mit den hausgemachten Ämterbesetzungen, was mit der herkömmlichen dogmatisch-kirchenrechtlichen Denkweise? Wird dann nicht wiederum das Prinzip angewandt, welches seit Jahrhunderten und vor allem auch nach dem II. Vaticanum immer wieder unwiderrufliche Urständ gefeiert hat: nicht nur die Menschen haben sich nach dem Lehramt und dem Kirchenrecht zu richten, sondern, wenn es konkret wird, auch der heilige Geist!?
  5. Seitdem Martin Heidegger vom "Ende der Metaphysik" und vom Ende des herkömmlichen Wahrheitsverständnisses gesprochen hat; seitdem ganze human- und naturwissenschaftlich geprägte Generationen dieses "Ende" faktisch längst praktizieren und handhaben, scheint gewollt oder ungewollt die "Grundlage des Christentums" zerstört. Oder besser gesagt: die philosophisch und theologisch selbstgemachten Grundlagen werden zerstört. Das kann nicht die Selbstpreisgabe des Christentums oder rückwärts gekehrte Apologie zur Folge haben, wenn in Zeiten des Niedergangs die Versuchung dazu auch groß ist, sondern das Christentum muß von seinen ursprünglichen Anliegen her neu überdacht werden.

Die Frage nach der "Wahrheit" stellt sich dabei völlig neu. Die Menschen suchen nicht mehr eine "von oben" verkündete Wahrheit (als eine von "Profis" erkannte "Übereinstimmung des Denkens mit dem Sein bzw. mit der Offenbarung"), sondern eine lebensnahe und lebens-bewährte Wahrheit. Man könnte sie umschreiben als "Übereinstimmung des christlich-wahrnehmbaren Lebensstils und anschaubarer Lebensführung mit den Werte-Vorgaben des Evangeliums", die da heißen: Liebe, Gerechtigkeit, Gemeinschaft, Offenheit, Dialog... mit und gegenüber andersartigen Denk- und Verhaltensweisen. Solange diese "Übereinstimmung" nicht in neuen Formen des Kirche-seins gesucht oder annähernd angestrebt wird (Vgl. mein Buch: Kirche im Koma? Der Mut zu einer ganz anderen), bleibt faktisch der Grundsatz bestehen: der neue Wein muß auf jeden Fall in die alten Schläuche! (vgl. Mt. 9.17). Mit solcher Grundeinstellung läßt sich auf Zukunft hin kein Stich mehr machen. "Strukturreformen" laufen dabei ins Leere.


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