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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Dramatischer Vertrauensverlust der Kirchen.

Mai 2003

Kardinal Lehmann hat die Ergebnisse einer am 23.April 2003 vorgestellten Umfrage als "zweifellos dramatisches Urteil" bezeichnet. Demnach haben nur noch elf Prozent der deutschen Katholiken volles Vertrauen in ihre Kirche. Bei der evangelischen Kirche sind es immerhin noch siebzehn Prozent. Beides keine schmeichelhaften Urteile. Ist damit wieder ein neues Indiz dafür gegeben, daß die "Zeit der Kirche" abgelaufen ist? Zukunftsträchtiger Neuanfang scheint nur dadurch möglich, daß energisch die "Zeit der Reich-Gottes-Predigt Jesu" wieder ins Heute hineingeholt wird. Aber bis dahin ist es noch ein unendlich weiter Weg.

Es wäre schon viel gewonnen, wenn aufgrund des seit Jahren anhaltenden Trends eine breit angelegte Diskussion über Ursachen und not-wendende Schlußfolgerungen in Gang gesetzt würde. Statt dessen ist zu befürchten, daß vorschnelle Reaktionen darauf zu keinen brauchbaren Lösungen führen. So z.B. die trostreichen Lebenslügen: einige Wohlfahrtsverbände hätten ja doch ein gutes "Image", oder: Kirchenvertreter vor Ort besäßen hohes Ansehen, oder: bei den noch "Praktizierenden" sei der Reform- bzw. Verbesserungsbedarf mit dreißig Prozent "relativ gering", oder: es handle sich heute "alles in allem um eine recht säkularisierte Gesellschaft".-

Bei den 356.000 Antworten bei der Umfrage handelt es sich - so resümiert Richard von Weizsäcker - nicht um "Jammerer", sondern um "konstruktiv-kritische Leute". Wenn mit vorschnellen Rezepten auch Vorsicht geboten ist - es sollte nicht in Vergessenheit geraten, daß Papst Johannes XXIII. in der Forderung nach dem "Zurück zu den Quellen" bereits eine Antwort versucht hat. Man könnte sie als eine Rückbesinnung auf die Zeit der "Reich-Gottes-Predigt Jesu" postulieren.

Inhalt, Ziel und Sinn dieser Predigt waren und sind die Praxis der Liebe bzw. die Einübung in Werte, die das Leben lebenswert machen und zugleich, wenn auch noch so keimhaft und fragmentarisch, heiler, erlöster, gottgefälliger... Die Praxis der Liebe, Hoffnung, Freundschaft, Gerechtigkeit, Gemeinschaft, Solidarität (vor allem auch mit den Armen und Bedürftigen) bedeutete nicht nur die Konzentration auf "humane Werte". Diese wurden darüber hinaus in den größeren Zusammenhang der Vorhaben Gottes mit der Welt gestellt. Wo seitdem Menschen im Namen Gottes und auf dem Boden solcher "Eckwerte" Leben gestalten und bewältigen, da hat das Reich Gottes schon seinen Anfang genommen. Man könnte auch sagen: da können sich Menschen der Anwesenheit und des Beistandes Gottes mitten im Leben bewußt und sicher sein. Sie können auch, so umstritten es auch sein mag, "Mahlgemeinschaft" miteinander sein.

Diese lebensnahe und liebenswerte Botschaft hat von Anfang an auch die Frauen und das "einfache Volk" in ihren Bann gezogen. Sie stehen dem Leben am nächsten. Heute zeigt sich dramatisch: die genannte Praxis Jesu kann nirgendwo in der Welt und Kirche Früchte tragen, wenn sie nicht in der Kinderstube bereits eingeübt wird. Ohne die Einübung der Liebe, der Toleranz und des Verzeihens im Kleinen kann im Großen der Welt kein Friede werden. Die eigentlichen Träger der christlichen Botschaft waren deshalb immer schon die "Kleinen und Unmündigen" - nicht die Theoretiker, Gedankenakrobatiker, Theologen und Rechtsgelehrten. Die dem Leben ganz nahe stehen, müssen es auch wieder werden.

Das heutige Dilemma besteht darin, daß diese Zeit allzu früh und hartnäckig in die "Zeit der Kirche" mündete. Diese konstituierte sich als "Männerkirche", als eine hierarchische Kirche mit einem theologischen Spezialistentum. Als "Männerveranstaltung" gestaltete sie sich ganz nach dem Vorbild gesellschaftlicher Verhältnisse. Als "Theologenreligion" wurde und wird sie geprägt von Faktoren, die sich im Laufe der Jahrhunderte als erstaunlich konstant erwiesen haben, heute aber massiv zusammenbrechen: Männerautoritäten, möglichst zentralistisch und autoritär - bis in die Gemeinden hinein; philosophisch-theologische Doktrin, geeignet, uninformierte und zu belehrende Massen zusammenzuhalten, allerdings verbunden mit dem "Nachteil", Menschen religiös zu instrumentalisieren und zu infantileren, sie letztlich dorthin zu verweisen, wo der "Laienstand" ist: als Stand der Nicht-Wisser und Unkompetenten.

Die Frauen und das "einfache Volk" ("Laien") gerieten so in Vergessenheit, paßten nur insofern in die kirchliche Landschaft, als sie gläubig-hörig und gehorsam waren. Die Lebensferne heutiger Verkündigung hat hier ihre tiefsten Wurzeln. Darüber kann auch das Erzählen schöner Gleichnisse und Beispiele nicht hinwegtäuschen. Auch nicht byzantinische Festlichkeiten und Liturgien - zur "Ehre Gottes", allzu oft aber auch zur Selbstdarstellung und Selbstverherrlichung eitler Kirchenmänner.

Das so sich darstellende "Christentum" (welches nicht das ist, was es einmal war) reitet sich gegenwärtig zu Tode, wenn es nicht im gleichen Maße und an kompetenten Schaltstellen wieder Frauen- und Volkssache wird. Den "Laien" ist alternatives Denken und Handeln aufgegeben: vom Kind her, vom werdenden und wachsenden Leben her mit all seinen Sorgen, Ängsten und Hoffnungen. Insofern gehören die "Laien" paritätisch in alle Ämter hinein. Nicht einfach "nur so" in die bestehenden Strukturen, sondern mit eigenem Profil und eigenem Kompetenzbereich. Ganz neue Formen von "Kirche" dürften das Ergebnis sein. Wann kommt die Zeit, in der wieder umfassend darüber nachgedacht wird?


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
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