Ansichten eines Außenseiters
Ansichten
eines Außenseiters (I): Vaticanum II vor 40 Jahren.
Außenseiter werden oft in einer
Gesellschaft oder kirchlichen Verfassung als Grenzgänger,
Querdenker, Störenfriede oder "Ketzer" abgestempelt.
Oft sind sie es auch. Ich selbst bin nicht als "Außenseiter"
geboren. Von Kindheit an in einem sehr katholischen Milieu
aufgewachsen, war ich immer ein "Insider". Aber das Leben hat
mich dazu gezwungen, bisher Erlebtes und Erfahrenes auch immer
wieder "von außen", aus der Distanz heraus zu betrachten -
sozusagen eine Außenansicht anzunehmen, die mir ursprünglich
fremd war und wohl auch immer fremd geblieben wäre. Denn
"Insidern" ist es eigen, ihre gewohnten Standpunkte nur ungern
zu korrigieren. Letztlich bleibt das Erlernte allein gültig im
Sinne von: "Roma locuta, causa finita". Solche Entgültigkeit
steckt mehr oder weniger in jedem.
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Ansichten
eines Außenseiters (II): Weihnachten. Was der Welt zum Frieden
dient.
Es gibt Kirchenleute, die behaupten, man
müsse wieder vermehrt über Gott reden. Sonst werde die Welt auf
eine bedrohliche Weise immer mehr religiös-gleichgültig und
"atheistisch". Wenn Letzteres auch stimmt, ist es dennoch sehr
zweifelhaft, ob das Mehrreden über Gott den Trend zum Säkularen
aufzuhalten vermag. Man kann im Gegenteil behaupten, dass in der
Vergangenheit und Gegenwart sehr viel, vielleicht sogar zu viel
über Gott geredet wurde und wird - sehr viel Widersprüchliches,
einfach Vermutetes und Liebgewordenes, Gewünschtes und
phantasievoll Herbeigeredetes. In Wirklichkeit ist die Frage
nach Gott nie entgültig beantwortet worden. Weil sie keine
befriedigende Antwort zuließ, ist sie nie zur Ruhe gekommen, ist
in der Geschichte der Menschheit immer wieder aufgebrochen.
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Ansichten
eines Außenseiters (III): Das zweifache Gesicht des
Christentums.
Wenn ich gefragt würde, welchem Wort des
Jahres ich für 2006 den Vorzug geben würde, hieße es:
Dialogkultur. Es muß nicht wiederum "Bundeskanzlerin"
heißen. Als im Dezember 2005 der römische Kurienkardinal Walter
Kasper, zuständig für die "Ökumene", Deutschland bereiste, hat
er von der "neuen Dialogkultur" gesprochen, die in Rom
mit dem Deutschen Josef Ratzinger etabliert worden sei.
Ausgerechnet mit Josef Ratzinger, der bisher nicht gerade in dem
Ruf stand, bei seiner harten kirchenpolitischen Linie
dialogfreudig zu sein. Von dem neuen Zustand zeuge schließlich
sein Gespräch mit seinem alten Freund aus Tübingen, dem
Kirchenkritiker Hans Küng.
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Ansichten
eines Außenseiters (IV): Die Enzyklika Benedikt's XVI: "Deus
caritas est".
Die erste Enzyklika des neuen Papstes hat
weltweit große Überraschung ausgelöst und eine breite Akzeptanz
erfahren. Tatsächlich zeigt sich hier der Papst nicht als
"Moralprediger", der gegen die Homosexualität wettert oder gegen
die außereheliche Sexualität. Er will auch dem Vorwurf
Nietzsches, das Christentum sei leib- und lebensfeindlich,
keinerlei Argumente liefern. Sein Verständnis der Liebe geht
sogar von Platons "erotischer Liebe" aus. Sie dürfe nach
den Worten des Papstes allerdings nicht zu "bloßem Sex"
verkommen. Diese sei so etwas wie eine innere Kraft und Dynamik,
die den Menschen über sich selbst hinauswachsen lassen müsse,
begehrend, suchend, erkennend und wohlwollend. Auf diese Weise
"gereinigt", wird sie zur christlichen Liebe, zur Caritas, die
sich in der Ehe und im konkreten Dienst am Nächsten aktualisiert
und vollendet. Die Caritas wird in der Welt immer notwendig
bleiben; "denn es wird auch in der gerechtesten Welt immer
materielle und menschliche Not geben".
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Ansichten eines Außenseiters (V): Der
Glaube – eine "positive Option"?
In seinem
vielbeachteten Fernsehinterview vom 13. August 2006 hat Papst
Benedikt XVI. den Glauben eine "positive Option" für unsere
Lebensverhältnisse genannt. Tatsächlich hat er dieses "Positive"
an Beispielen aus der Lehre und Tradition der Kirche deutlich
gemacht. Demnach dürfte man kein Fragezeichen hinter diese seine
Option setzen, wenn es heute nicht zu viele Christen gäbe, die
dies tun. Tatsächlich gibt es – bei näherem Zusehen – eine Menge
Fragezeichen, die es im Folgenden zu erläutern gilt.
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Ansichten eines Außenseiters (VI): Der
Glanz des Papstes und das Elend der Kirchen.
Bayern
lebte im Monat September und viele Wochen davor wie in einem
Ausnahmezustand. Schließlich hatte sich der Papst angekündigt:
der berühmteste Sohn seiner bayerischen Heimat. Überall war das
Bild des Papstes zu sehen: in den Medien, auf Litfasssäulen, auf
Bierdeckeln und Bierflaschen, auf T-Shirts, in Schaukästen und
auf den üppig florierenden Devotionalienmärkten.... Religion
scheint, durch die medial wirksamen Auftritte der Päpste seit
ca. 30 Jahren, immer mehr zu einem Gesellschaftstrend zu
werden. Die Zeit, in der Religion als Privatsache galt,
scheint vorbei. Medien und Publikum spielen dabei eine
maßgebliche Rolle. Im Sog erfolgreicher Happenings verändern
sich beide. Sie gewöhnen sich an die großen religiösen Effekte
und verlangen immer größere. Während die einen über das neue
Ansehen der Religion triumphieren, macht es anderen Angst. Denn
alles ist hektisch, oberflächlich, kurios, triumphal... Geht es
wirklich um „Religion“? Oder geht es einfach nur darum, bei
Massenereignissen dabei zu sein? Erlebt Religion eine wirkliche
Renaissance? Oder folgt sie einfach dem Drang zur Popularität,
folgt sie den Mächtigen des Marktes?
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Ansichten eines Außenseiters (VII):
Wie die Dynamik des Konzils kirchenamtlich verspielt wurde.
Christen,
die sich ein "historisches Gedächtnis" bewahrt haben, fragen
sich oft, wie es geschehen konnte, dass nach der Dynamik des
Konzils – 40 Jahre danach – die Kirchen und Gemeinden von
einer tödlichen Lähmung befallen sind. Diese Frage stellt sich
auch im Blick auf Papst Benedikt XVI. Dieser hat als
"fortschrittlicher Theologe" beim Konzil mitgewirkt; ist
später – in den 1968er Jahren – auf die sog. "konservative
Linie" umgeschwenkt. Als Papst tritt er heute mit einer großen
Offenheit zur "Ökumene" auf, zum "Dialog mit den Religionen",
zur "Erneuerung des Glaubenslebens" usw. Auffallend ist, dass es
stets an konkreten Schritten und Maßnahmen fehlt.
Hilflosigkeit – bei aller persönlichen Integrität? Einfaches
Abschalten gegenüber "progressiven Forderungen", wie sie mit
wachsender Langweiligkeit immer wieder gestellt werden:
gemeinsames Abendmahl; Frauendiakonat und -priestertum;
Aufhebung des Zölibates; positive Einstellung zu neuen
"eheähnlichen Gemeinschaften" usw. Der Papst – mit dem Blick auf
andere Konfessionen – weiß, dass mit dem Sich-Einlassen auf
solche Forderungen nichts oder kaum etwas gewonnen wäre. Die
"Dynamik des Konzils" bliebe weiterhin verspielt. Aber wie und
warum wurden die Chancen von damals, sogar "kirchenamtlich",
vertan? Was müsste geschehen, um die "Lage" wieder in den Griff
zu bekommen?
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Ansichten eines Außenseiters (VIII):
Glaube und Vernunft.
Im
vergangenen Jahr hat Kurienkardinal Walter Kasper den
Preis der Salzburger Hochschulwochen bekommen. In seiner
Dankrede hat der Kardinal ein Thema aufgegriffen, welches auch
ein Lieblingsthema von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war
und ist: Glaube steht nicht im Gegensatz zur Vernunft, d.h. zum
neuzeitlichen Denken und zu modernen Ideologien. Er schilderte
in seiner Rede seinen eigenen Lebensweg: seine
Auseinandersetzung mit Schelling, Hegel, Kierkegaard, Marx,
Nietzsche...
Akademisch geschulten geistigen Feinschmeckern mag diese Rede
ein Genuss gewesen sein. Und eine Bestätigung eigener
Überzeugungen, die da lautet: mit großen Denkern löst man das
Problem des Zusammenhangs zwischen Vernunft und Glaube! Mir als
"Außenseiter" kam dabei der Gedanke: die Kirche hat sich immer
schon mit den Mächtigen der Erde verbündet. Auch mit den
Mächtigen des Geistes!
Dagegen lese ich in der gegenwärtigen Literatur und in den
Massenmedien: Kinder haben schon ihre eigenen Gedanken, ebenso
Jugendliche, Männer und Frauen. Die Medien machen sich zu
Sprachrohren breitester Schichten, auch in Sachen "Religion und
Glaube". Den Kirchen wird immer mehr Kompetenz abgesprochen.
Dass heute breite "alphabetisierte Schichten" ihre eigenen
Gedanken haben – dieses Faktum sucht man vergeblich bei Kasper,
Ratzinger usw. Dass sie sich selbst mit den "geistigen Größen"
verbündet haben, macht die Größe der Theologie aus, aber auch
deren Tragik. Sie haben den Boden unter den Füßen verloren...
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Ansichten eines Außenseiters (IX):
Zusammenlegung vieler Pfarreien zu einer Großpfarrei.
Neulich
ging die Nachricht durch die Presse, dass in Frankreich 2800
der 15000 Dorfkirchen vor dem Abriss stehen. Historisch prägende
Bauwerke und gemeinschaftsstiftende Symbole in Dörfern werden
also bald nicht mehr sein. Die Entchristlichung Frankreichs
findet durch den Abriss der Kirchen ihren sichtbaren Ausdruck.
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Ansichten eines Außenseiters (X):
Wenn das Prophetische abhanden kommt...
Wenn in
einer Religion oder Kirche das Prophetische abhanden kommt, dann
verdunstet der Glaube, es lauert der geistige Tod und ein Volk
verwildert. Dagegen sind Propheten Menschen, die mit Wort und
Tat zur Rettung der Gemeinschaft, zur Rettung einer Situation
entscheidend eingreifen. Auch zur Rettung einer Religion. Oft
werden sie "Eingeweihten" und "Etablierten" lästig. Man versucht
sie zum Schweigen zu bringen, statt den prophetischen Ruf zu
verstärken, unüberhörbar zu machen. Das wäre auch die Aufgabe
einer Religion, statt sich auf wohlformulierte "Wahrheiten" zu
verlassen.
Mit solchen Gedanken beschäftigt sich mein Festvortrag, den ich
am 13. Okt. 2007 in Münster gehalten habe. Anlass war das
10-jährige Jubiläum SOLWODI NRW. Das Thema lautete: Es gibt
nichts Gutes, außer man tut es.
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Ansichten eines Außenseiters (XI):
Alle Religionen auf dem Weg zu dem Einen Gott?
Bevor es
überhaupt "Religionen" gab, gab es den religiös suchenden,
fragenden und denkenden Menschen. Der Mensch ist also vor jeder
Religion. Wenn zu irgendeinem Zeitpunkt der Geschichte
Religionen gegründet wurden, konnten sie dem religiösen Denken
und Empfinden von Menschen förderlich sein und neue Impulse
geben. Das ist den großen Gründerfiguren Buddha, Jesus,
Mohammed… hervorragend gelungen Auf kurz oder lang konnten die
Religionen für den Einzelnen aber auch ein Hindernis werden auf
der Suche und auf dem Weg zu Gott. Vor allem dann, wenn sie sich
mit ihren Autoritäten, mit ihrer Verfassung, mit ihren Lehren
und Lehrentwürfen so im Guten wissen, dass niemand daran rütteln
kann. Damit Gott – bei aller Verhärtung von Menschen im Guten -
noch eine Chance bekommt, wendet er sich zuerst immer an
Menschen, nicht an Institutionen. Deshalb können Kirchen sich
nur erneuern, wenn sie für die Menschen da sind und auf sie
hören. "Vox Populi" nannte man das früher. Wenn sie es nicht
tun, können sie zu einem Hindernis für den Glaubenssinn der
Gläubigen werden.
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Ansichten eines Außenseiters (XII):
Kinderschänderei. Wie zurechtkommen mit einer Kirche, in der es
keinen ohne Sünde gibt?
Ich denke
an das Evangelium von der Ehebrecherin, welches am 5.
Fastensonntag in den Kirchen verlesen wird (Joh 8.1-11). Eine
Frau hat Ehebruch begangen. Nach damaliger Auffassung kam
solches bei Männern wohl nicht so leicht vor – woran zu erkennen
ist, dass sich die Männerwelt der damaligen Zeit die Religion zu
ihren Gunsten zurecht gebastelt hatte. Die Frau gehörte also
gesteinigt. Die Pharisäer und Schriftgelehrten, unantastbare
religiöse Autoritäten, betrieben die Vollstreckung der Strafe.
Was sie sagten und anordneten, hatte für das gläubige Volk
höchste Priorität. Sie waren die Päpste und Bischöfe von damals.
Jesus, der die Szene verfolgt, schützt die Ehebrecherin. Damit
ist nicht gesagt, dass er mit dem Ehebruch einverstanden ist.
Aber er gibt der Frau eine Chance zum Neuanfang: "Sündige von
jetzt an nicht mehr!" – Im Evangelium geht es aber nicht nur um
die Sünderin. Auch um die höchsten religiösen Autoritäten. Auf
beschämende Weise bestätigt ihnen Jesus in aller Öffentlichkeit:
Steinigt die Frau, wenn ihr ohne Sünde seid. Aber ihr seid nicht
ohne Sünde. Deshalb habt ihr kein Recht, die Menschen zu Rache
und Brutalität anzustacheln!
Die Szene mit der Ehebrecherin und der an den Pranger gestellten
höchsten religiösen Autoritäten hat viel mit der gegenwärtigen
katastrophalen Krise der Kirche zu tun. Was die
"Kinderschänderei" in kirchlichen Einrichtungen betrifft, müssen
die "normalen Gläubigen" entweder verzweifeln, oder sich in
Zukunft mit einer Kirche abfinden, in der es niemanden (mehr)
gibt, der ohne Sünde ist.
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Ansichten eines Außenseiters (XIII):
Kinderschänderei. Wie zurechtkommen mit einer Kirche, in der es
keinen ohne Sünde gibt?
Als
Prediger und Katechet ist eine Grunderfahrung seit einem halben
Jahrhundert bei mir prägend geblieben: Die Leute hören zu; sie
nennen das Gesagte eine "gute Predigt"; bringen es aber nicht
fertig, den einen oder anderen Gedanken zu behalten bzw. mit
anderen ins Gespräch zu bringen. Nicht durch Rückfragen an den
Prediger selbst; aber auch nicht untereinander in der Familie
oder am Biertisch... Wenn es gut geht, stehen Christen nach dem
Gottesdienst in Grüppchen beieinander und reden über
irgendetwas, z.B. über das Wetter, über ihre Kopfschmerzen oder
den gefürchteten Zahnarzt.
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